Johann Nestroy

Zu ebener Erde und erster Stock
oder
Die Launen des Glücks

Lokalposse mit Gesang
in drei Akten

(Erstaufführung am 24. September 1835)

Personen:

Herr von Goldfuchs, Spekulant und Millionär.

Emilie, seine Tochter.

Fany, Stubenmädchen im Goldfuchs'schen Hause.
Johann
, Bediente im Goldfuchs'schen Hause.

Friedrich
, Bediente im Goldfuchs'schen Hause.

Anton
, Bediente im Goldfuchs'schen Hause.

Chevalier Bonbon.

Georg Michael Zins, ein Hausherr.

Wermuth, Buchhalter eines Großhandlungs-Hauses.

Meridon, erster Koch im Goldfuchs'schen Hause.
Aspick
, zweiter Koch im Goldfuchs'schen Hause.

François
, Küchenjunge daselbst.

Herr von Steinfels, Hausfreunde bei Herrn von Goldfuchs.
Frau von Steinfels
, Hausfreunde bei Herrn von Goldfuchs.
Herr von Wachsweich
  Hausfreunde bei Herrn von Goldfuchs.
Frau von Wachsweich
, Hausfreunde bei Herrn von Goldfuchs.

Ein Wächter.

Schlucker, ein armer Tandler.

Frau Sepherl, sein Weib.

Adolf, 21 Jahre alt, deren Sohn, Tagschreiber bei einem Notar.

Christoph, 13 Jahre alt, deren übrige Kinder.
Nettl, 11 Jahre alt,
deren übrige Kinder.
Seppel, 8 Jahre alt,
deren übrige Kinder.
Resi, 5 Jahre alt, 
deren übrige Kinder.

Damian Stutzl, Frau Sepherls Bruder, ein zugrundegegangener Tandler und jetzt Gehilfe seines Schwagers.

Salerl, eine entfernte Anverwandte Schluckers.

Wilm, Sekretär eines Lords.

Ein Gerichtsbeamter.

Plutzerkern, ein Greißler.

Zuwag, ein Aufhackknecht.

Zech, ein Kellner.

Grau, Tandler.
Trumpf
, Tandler.

Mehrere Herren und Damen. Tandler und Tandlerinnen. Bediente. Wächter.

Die Handlung spielt zugleich in der Wohnung des Herrn von Goldfuchs im ersten Stock und in Schluckers Wohnung zu ebener Erde, in einem und demselben Hause.

Erster Akt

Szene 12


Adolf und Damian.

Vorige ohne Zins.

Fany. Hu! Dem brennt der Kopf!

Emilie. Er ist ein vernünftiger Mann; wenn der Zorn vorüber ist - so -

Fany. Jetzt von was anderem, Fräulein! Ich laß Sie nicht mehr aus; jetzt müssen die dem armen Adolf schreiben. Der gute Mensch ist so melancholisch, so -

Emilie. Wie kann ich, er hat ja mir noch nie geschrieben.

Fany. Er traut sich nicht, und einer muß ja den Anfang machen. Unter uns gesagt: Sie müssen nicht bös sein, Fräulein; aber ich hab' ihm heut begegnet, und da hab' ich ihm versprochen, weil er gar so blaß war, er kriegt heut Schlag Eins einen Brief von Ihnen. Da hat der Mensch eine Freude g'habt - ach! - Aber es ist schon bald ein Uhr.

Emilie. Geschwind Feder, Tinte und Papier.

Fany (öffnet die Lade des kleinen Tischchens rechts vorn und nimmt das Verlangte heraus). Da ist schon alles!

Emilie (setzt sich rechts und schreibt).

Fany (sieht nach dem Fenster.)

Adolf und Damian kommen durch die Mitte links.

Damian (benebelt). Ich laß' dich nicht aus, du mußt mir den Brief schreiben.

Adolf. Vetter, ich hab' jetzt unmöglich Zeit.

Damian. Du bist der Sohn meiner Schwester, du mußt Zeit haben - ich befehl' es dir, als Oheim, verstehst du, als O- Oheim.

Adolf. Bald ist es 1 Uhr, die Stunde, der ich mit banger Ungeduld entgegensehe. - Wenn ich ihn nur fortbrächte!

Damian. Du bist eine schwärmerische Seele, liest Romane, redest hochdeutsch, hast einen guten Stil, du mußt mir den Brief schreiben.

Adolf. Gut also, aber schnell! - Was hab' ich zu schreiben? (Sieht während der folgenden Rede wieder nach der Uhr, öffnet das Fenster, setzt sich an den Tisch links, an welchem er schreibt.)

Damian. Das Verhältnis ist so: ich habe einen Rachedurst in mir. Der Salerl ist einer nachgegangen, und den will ich trischacken. Da muß also ein Brief an ihn geschrieben werden, als wenn die Salerl einen zärtlichen Brief an diesen Nachgeher schreibet, daß wir ihn so zu der beabsichtigten Trischackung herzulocken.

Adolf. Aha! (Setzt sich.)

Fany (hat zum Fenster hinabgesehen). Das Fenster ist offen, er ist schon zu Haus.

Emilie (welche abwechselnd nachdachte und schrieb). Ich bin verlegen, was ich schreiben soll.

Fany. Das ist nur beim ersten Brief.

Damian. Der Brief muß aber Gefühl haben, sehr viel Gefühl.

Adolf (will schreiben). "Ich wünsche Sie heute abends zu sehen."

Damian. Das ist schon wieder ohne Gefühl!

Adolf. Also anders! (schreibt). "Ich liebe Sie von ganzer Seele, ich bete Sie an."

Damian. So ist's recht. Da wird der alte Windbeutel winnig. (Wütend.)

Adolf (weiter schreiben wollend). "Kommen Sie also -"

Damian. Das ist schon wieder ohne Gefühl!

Adolf (weiter schreibend.) "Heute abend zu mir."
(Denkt nach.)

Emilie. Soll ich schreiben, daß ich Antwort erwarte?

Fany. Das glaub ich. Schreiben Sie nur: "Die Schnur wird so lang am Fenster bleiben, bis Sie die Antwort daran geknüpft haben."

Emilie. Wie versteh' ich das?

Fany. Schreiben Sie nur - (wispelt ihr leise zu.)

Adolf (schreibt). "Das Glück meines Lebens hängt an der Erfüllung dieser Bitte." (Zu Damian) Ohne Unterschrift?

Damian. Ohne Unterschrift! Das ist das wahre Gefühl! Jetzt heißt's, den Brief petschieren.

Emilie. Gib mir eine Oblat!

Fany (gibt ihr eine Oblat).

Emilie (siegelt). 

Fany (befestigt einen Spagat am Fensterrahmen).

Adolf. Es ist weder Siegelwachs noch Petschaft da.

Damian. Ich petschiere halt drüben bei der Kässtecherin den Brief.
(Nimmt den Brief.) Wenn der Chevalier den Brief liest, kommt er unausbleiblich, (im Abgehen) und die Trischackung geht vor sich, und das tüchtig. - O, nur Gefühl! (In der Mitte links ab.)


Zweiter Akt

Szene 21

(Es wird langsam  Nacht.)

Johann allein.
Johann
Bald hätte ich vergessen, die Spieltische muß ich arrangieren. (Nimmt vom Tisch links Karten und Markenschachteln.) Da werden sie Whist spielen. (Legt Karten und Markenschachteln auf die beiden vorderen Tische.)
Bediente (bringen silberne Leuchter mit brennenden Wachskerzen und stellen auf jede Ecke der vier Spieltische einen).
Andere Bediente (zünden die vier Lustres an).
Johann. Ich hab' auch einmal gespielt, sehr stark, wie ich noch kein Geld gehabt habe, jetzt aber, seitdem ich etwas habe, ist mir das Geld eine viel zu ernsthafte Sache, als daß ich drum spielen könnte. Es ist auch etwas Fades das Kartenspielen; ich begreife nicht, wie man da was dran finden kann. Man verliert Geld und Zeit. Zeitverlust ist auch Geldverlust, also verliert man doppeltes Geld und kann nur einfaches gewinnen. Wo ist da die Raison? Wie ist das möglich, da das Spiel an und für sich keine Raison ist! Daß das Spiel nicht Sache des Verstandes ist, das zeigt sich ja schon aus dem einen ganz klar, daß die gescheitesten Leute beim Spiele oft so unendlich dumm daherreden. Man muß nur in ein Kaffeehaus gehen und zusehen, da muß man dann ein Degout kriegen; da begreift man gar nicht, wie es möglich war, daß man selber jemals mitgespielt hat.

Lied

Ist das etwas Angenehmes, wenn ich mich hinhock'
Und spiel' von halb drei bis um neune Tarock?
Der eine spielt schmutzig, der andere schlecht,
Das ist ja grad', daß man aus der Haut fahren möcht.
Der macht drei, vier Ultimo in einem Nu,
Drauf paßt er als erster, hat d' Hand voll Atout.
Der sticht den Piquekönig, man schimpft übers Glück,
Nach vier Stich' heißt's: Verzeih'n Sie, ich hab' noch ein Pique.
Der denkt sich: Pagat ansag'n, wird's ratsam sein?
Und schaut seinen Nachbarn in d' Karten hinein.
Man kriegt oft kein ordentliches Blatt, nicht zum Erleben,
Endlich steigen tous les rois [
tous les trois ?!]; jetzt heißt's, 's ist vergeben.
Da finden Leut' dran ein Vergnügen,
Ich, offen g'sagt, nicht, ich müßt's lügen.

Das Whistspielen vor allem, das is gar ein Genuß,
Ich hab' noch kein Robber g'sehn ohne Verdruß.
Nichts reden, das ist d' erste Regel dabei,
Das sagt jeder, macht aber oft selbst ein G'schrei.
Der springt bei ein jedem verdalkten Levee
Mit allem Mordtausendelement in d' Höh'.
Der schreit: Sie haben Treff, warum hab'n Sie's nicht g'spielt?
Der sagt: Korrigierens mich nicht, sonst werde ich wild.
Mit Ihrem Whistspielen, das ist sehr angenehm,
Ich glaub', mit dreizehn Atout noch vergebens ein Schlemm.
Seiens still, sagt der andere, touchieren Sie mich nicht,
Und wirft seinem Partner fast d' Karten ins Gesicht.
Da finden d' Leut' dran ein Vergnügen
Ich, offen g'sagt, nicht, ich müßt's lügen.

Repetitions-Strophen.

S' Hasardspiel, das muß man erst kennen aus 'n Grund,
Das ist nicht nur z'wider, das bringt ein auf 'n Hund.
Da setzt mancher oft noch sein letzt's bissel Geld,
Glaubt einmal muß's einschlagen, und allweil is's g'fehlt,
Jetzt setzt er sein Ring und jetzt setzt er sein Uhr,
Den Verlust wird herein z' kriegen, aber kein Spur,
Jetzt setzt er sein Rock um doch etwas z' kriegen,
Der Bankgeber tut auch den Rock noch einziegen,
Da treibt ihm Verzweiflung die Augen heraus,
Denn er muß zu sein Weib und acht Kindern nach Haus;
D' Familie, die weint, und d' Familie, die schreit,
Sie sind voller Hunger und kriegen nix für heut.
Da finden d' Leut' dran ein Vergnügen,
Ich, offen g'sagt, nicht, ich müßt's lügen.

Hunderteins spiel'n d' Fiaker, und die Unterhaltung ist groß,
Da hauen s' in Tisch hinein ärger als d' Roß.
Da schreiens: Million nein, wer hätt' sich das denkt!
Wenn man fragt, was ist g'schehn: der hat 'n Maxel ausg'henkt.
's tun viele ihr Geld zum Halbzwölfespiel tragen,
Den Tag drauf um halb zwölf habens nix als ein leeren Mag'n.
Da spielen ein paar Strohmandl an ein Tischerl klein
Und vergessen dabei, daß selbst Strohmandln sein.
Ich kenn' nur ein einziges Spiel, was mich g'freut,
Nämlich das Spiel, was Ihrem Vergnügen geweiht.
Wenn man da reüssiert, spielt man g'wiß nicht umsonst,
's winkt einem hoher Gewinn und der ist Ihre Gunst.
Das läßt sich mit Gold nicht aufwiegen,
Daran find ich 's größte Vergnügen.

(Ab durch den Saal links.)


Szene 22

(Unten Nacht.)

(Oben Tag.)

Schlucker, Sepherl, Damian, Christoph, Seppel, Nettl, Resi.

Sepherl (mit der Familie durch die Mitte links nach Hause kommend). Da wären wir wieder. (Sie macht Licht und zündet eine Kerze an, es wird Tag.)

Schlucker (zu den Kindern). Habts die übrig gebliebenen Bügeln nicht vergessen?

Damian. Ich hab' sie alle in mein Tüchel eingebunden.

Christoph. Die gehören auf morgen früh.

Sepherl. Jetzt marsch schlafen, Kinder!   (Die Kinder rechts ab.)

Damian. Ich hab' der Salerl zu Lieb zu wenig getrunken und mir zu Lieb zu viel gegessen. Jetzt druckts auch in Magen.

Sepherl (zu Schlucker). Du gehst jetzt aber auch ins Bett.

Schlucker. Zuerst muß ich dem Großen meine Meinung noch sagen.

Sepherl. Geh', fang heut nichts mehr an.

Damian. Nein, der Schwager hat recht, wenn eine ganze Familie sauft, so soll er sich auch nicht ausschließen.


Szene 23

Vorige ohne Kinder. Adolf.

Adolf (aus rechts kommend).

Schlucker. Aha, da ist er schon, der bockbeinige junge Herr.

Sepherl (zu Adolf). Geh', das war nit schön von dir.

Adolf. O Mutter, wenn Sie wüßten, wie mir ist! (Man hört Kinder lärmen.)

Sepherl. Was treiben denn die Fratzen schon wieder? (Eilt rechts ab.)


Szene 24

Schlucker. Damian. Adolf.

Schlucker (zu Adolf). Warum bist du nicht mit ins Wirtshaus gegangen?

Adolf. Mir ist nicht wohl.

Schlucker. Nicht wahr ist's, ein verliebter Schmachtlappen bist du.

Adolf. Vater!

Damian. Im Ernst, Neveu, du bist zu viel Schwärmer.

Schlucker. Ich mag mich nicht mehr ärgern mit dir, denn erstens marschierst du morgen aus dem Haus, der Herr von Zins schickt dich als Schreiber wohin, fort von hier; er wird deine holde Amasia heiraten, nicht du.

Adolf (sich zornig in die Lippen beißend). So?

Schlucker. Und für's zweite kann ich dir's jetzt sagen, du bist nicht mein Sohn, du bist nur ein angenommenes Kind.

Adolf. Wie - was? (Erstaunt.)  Wär's wirklich so?

Schlucker. Ja, und ich bin recht froh, daß ich keinen solchen -

Adolf. Wer ist mein Vater?

Damian. Jetzt ist er schon lang gar nicht mehr.

Schlucker. Ein liederliches Ding war er, verliebter Natur, wie du; ist in die Welt gegangen, hat dem Glück nachschwimmen wollen und ist in Gott weiß was für einem Meer ersoffen, der Vagabund.

Adolf (sich zur Mäßigung zwingend). Einen großen Teil meiner Schuld für die Wohltaten, die Sie mir erwiesen, trage ich hiermit ab, daß ich zu den Schmähungen, die Sie gegen meinen rechten Vater ausstoßen, schweige.

Schlucker (auf ihn zugehend). In was für einen Ton redest du mit mir?

Damian (zwischentretend). Seids so gut, weil jetzt die Bande der Natur gesprengt sind, fangts gleich ein wenig zum Raufen an.

Adolf (mit Heftigkeit zu Schlucker). Den Zoll der Dankbarkeit werde ich, wo ich auch sein mag, redlich abtragen. Nehmen Sie aber auch die Erklärung: Ich gehe fort von hier; doch nicht wohin der saubere Herr von Zins und Sie wollen, sondern wohin ich selbst will. Auch versichere ich Sie, die heutige tyrannische Behandlung mit dem Brief hätte ich nicht geduldet, wenn ich gewußt hätte, daß Sie nicht mein Vater sind.

Schlucker (ergrimmt). Kecker Bursch, du unterstehst dich -

Damian (zu Schlucker). Geh' schlafen Schwager! Die Bande der Natur sind gesprengt, du riskierst, daß er dir ein paar herabhaut.

Schlucker (erbost zu Adolf). Morgen sprechen wir uns noch; ich will dir deinen hochmütigen Schädel geschmeidig machen; wart du, du Bursch übereinand! (Geht rechts ab.)


Szene 25

Vorige ohne Schlucker.

Adolf (nachsinnend). Mein Vater - Vetter Damian!

Damian. Sie nennen mich noch Vetter nach Sprengung sämtlicher Bande der Natur?

Adolf. Ach, laßt das! Ihr kanntet meinen Vater?

Damian. Ja, aber ich bin jetzt viel zu schläfrig.

Adolf. Wo sahst du ihn?

Damian. Zwanzig Meilen von hier, in - Dingsdoder - anno - dazumal, wie Sie nur so lang waren. (Zeigt die Länge eines kleinen Kindes.)

Adolf. Und die Nachricht seines Todes?

Damian (gähnend). Die hat uns einmal einer erzählt. (Geht zu seinem Bett.)


Szene 26

Salerl. Vorige.

Salerl (Mitte links eintretens). Mosje Adolf!

Damian (zu Salerl). Wo hast Du gesteckt die ganze Zeit?

Salerl. Ich hab' mit dem Stubenmädel gesprochen von da oben.

Adolf (dringend). Was sagt sie?

Salerl. Ich hab' g'sagt, daß Sie sich etwas antun wollen.

Adolf. Und was hat aber sie gesagt?

Salerl. Die Bedienten sind vorbeigegangen und sie ist hineingerufen worden und so hat sie gar nichts g'sagt.

Sepherl (von innen). Salerl!

Salerl. Ich komme schon. Gute Nacht, Damian!
(Geht rechts ab.)

Damian. Gute Nacht, Geliebte!


Szene 27

Adolf. Damian.

Johann, Friedrich, mehrere Bediente kommen aus dem Saale.

Adolf (setzt sich an den Tisch rechts). So stünd' ich denn allein auf dieser Welt.

Johann (zu Friedrich). Die Gesellschaft ist schon im Empfangzimmer versammelt und wird gleich in den Saal kommen.
(Die Bedienten steleln Stühle an die Spieltische.)

Damian. Ich bin meiner Seel zum Ausziehen zu faul. Ich leg' mich angezogen ins Bett, so ist morgen beim Aufstehen auch wieder eine Arbeit erspart. (Legt sich auf das Bett.)

Friedrich. Heute Nacht wird es lebhaft zugehen.

Adolf. Allein, ohne Eltern, ohne Verwandte, bald getrennt auch von ihr, die mir alles ist.

Johann (zu den Bedienten). Wir bleiben da und servieren im Spielzimmer.

Adolf. Ich habe nichts mehr zu verlieren.

Johann. Was auf die Erde fällt, gehört uns.

Adolf. Auch nichts zu hoffen in der weiten Welt.

(Das Orchester spielt hinter der Szene eine Polonaise.)


Szene 28

Vorige.

Goldfuchs, Bonbon, Herr von Steinfels, Herr von Wachsweich, Herren, Damen
kommen aus dem Tanzsaale, in welchem nun mehrere Paare tanzen.

Vorige.

Goldfuchs. Jetzt sollen sie tanzen, bis der Tag anbricht.

Bonbon. Wir setzen uns zum Spiel.

Goldfuchs. Wem ist Whist, wem Tarock gefällig?

Einige Herren. Wir haben die Partien schon unter uns arrangiert.

Goldfuchs. Ah charmant, desto besser!

Bonbon. Ich spiele in jedem Falle Tarock, Whist strengt den Geist zu stark an.

Adolf. Ich muß ihr Worte des Abschiedes schreiben, ihr sagen, daß sie mich nimmer sieht, daß ich sie nie vergessen werde. (Setzt sich zu dem Tisch rechts zum düster brennenden Licht und schreibt.)

(Alle setzen sich, und zwar so, daß an den beiden vorderen Tischen zu dreien Tarock gespielt wird, nämlich rechts Goldfuchs mit einem Herrn und einer Dame; an den beiden hinteren Tischen spielen zwei Herren und zwei Damen Whist, an einem Herr von Steinfels, an dem anderen Herr von Wachsweich. Es beginnt nun ein Walzer, welcher bis zum Abschluß fortfährt.)


Szene 29

Fany. Vorige.

Vorige.

Fanny (leise durch die Mitte links eintretend). Sind Sie allein?

Adolf (überrascht). Wie, Fany!

Fanny. Ich habe Ihnen Wichtiges zu sagen.

Adolf. O, sprechen Sie!

Goldfuchs (im Spiele). Einen Dreier!

Fany. Mein Fräulein liebt Sie über alle Maßen.

Adolf. Wie, jetzt noch, nach dem abscheulichen Brief, den -

Fany. Abscheulich war Ihr Brief nicht; etwas kühn war das Begehren, daß sie zu Ihnen kommen soll, aber -

Adolf (äußerst befremdet). Das stand in dem Brief, den das Fräulein von mir -

Fany. Na, Sie werden doch wissen, was Sie geschrieben haben. Es ist schrecklich mit die Verliebten.

Bonbon (im Spiel). Meine Coeur-Dame werde ich verlieren.

Johann (beiseite). So viel ist gewiß.

Adolf. Unbegreiflich! Was sagt Emilie?

Fany. Sie weint, sie ist trostlos und muß jetzt tanzen, während ihr Herz -

Herr von Steinfels (am Whisttisch). Coeur ist Atout.

Adolf. Was ist vorgefallen?

Fany. Der Vater zwingt sie zu einer verhaßten Heirat.

Adolf (sich mit der Hand vor die Stirne schlagend). O Himmel!

Schlucker (von innen). Da möcht man des Teufels werden.

Fany. Man kommt! (Mitte links ab.)

Adolf (setzt sich an den Tisch, wo er schrieb).


Szene 30

Vorige ohne Fany.

Schlucker  kommt im Nachtgewand und mit Nachtlicht aus rechts. 

Vorige.

Schlucker. Wenn das verdammte Musizieren und Tanzen da oben so fortgeht, das wird dann für uns eine angenehme Nacht.

Damian (spricht aus dem Bett). Es ist nicht möglich, man kann in keinen Schlaf kommen.

Schlucker. Auf d' letzt wecken sie mir noch die Kinder alle auf. Hat der Schwager kein Buch zum Lesen?

Damian. Auf der Ofenbank drin liegt der Abelard und die Heloise.

Bonbon. Das ist etwas Ennuyantes, wenn man gar kein ordentliches Spiel bekommt.

Schlucker. Gut, das werd' ich lesen; wenn mir dann noch kein Schlaf kommt, so ist keine Hilfe mehr. (Geht nach rechts ab.)


Szene 31

Adolf. Damian. 

Vorige.

Adolf. Jetzt ist sie fort, die verwünschte Störung!

Damian. Gib doch Ruh, Adolf, das is ja gar zuwider, oben die Musik und herunt' die ganze Nacht diese Stubenmädlerei im Zimmer.

Adolf. O Vetter, morgen werd' ich Euch wohl nicht lästig fallen.

Damian. Na ja; aber es ist halt so etwas Fatales, diese ewige Stubenmädlerei. (Dreht sich um und schläft ein.)

Goldfuchs (im Spiele). Tous les rois [tous les trois ?!]! Vier Könige, Pagatultimo!

Adolf (in Gedanken versunken). Was nützt mir das alles! Sie liebt mich und muß doch das Weib eines anderen werden! (Setzt sich schwermütig und schreibt.)


Szene 32

Vorige. 

Emilie, dann Fany. Vorige.

Emilie (kommt aus dem Tanzsaal und stellt sich zu einem Whisttisch). Ich kann nicht mehr tanzen.

Bonbon (sie bemerkend). Bringen Sie mir Glück, holde Braut! (Ihr seine Markenschachtel zeigend.) Sehen Sie, ich bin der schlechteste.

Johann (beiseite). Das war er schon, ehe er sich zum Spiel gesetzt hat.

Fany (kommt aus links, schleicht sich in Emiliens Nähe und sagt leise). Ich war bei ihm.

Emilie (schnell und leise). Was sprach er?

Fany (ebenso). Er war wie vom Donner gerührt, als ich ihm gesagt habe, Sie seien Braut.

Emilie. Mir möchte das Herz zerspringen. Was soll ich tun?

Fany. Bis morgen um diese Zeit muß der entscheidende Schritt geschehen sein.

Bonbon (im Spiel). Ich passe (Fany und Emilie fahren über dieses Wort erschrocken zusammen.)

Fany (dringend). Gehen Sie jetzt nur einen Augenblick mit mir hinunter.

Emilie. Wie kann ich? Wie schickt sich das?

Fany. Wenn er Sie morgen entführen soll, so müssen Sie heute mit ihm reden, und ich werde ja dabei sein.

Emilie (entschlossen).Warte draußen, hole meinen Shawl, ich komme gleich.  (Fanny eilt links ab.)

Ein Herr (aus dem Saale kommend, zu Emilie): Mein Fräulein, darf ich bitten eine Tour?

Emilie (in heftiger, innerer Bewegung). Unmöglich jetzt, ich - ich bin zu echauffiert.

Der Herr. So werde ich später die Ehre haben. (In den Saal ab.)

Emilie (sieht sich sorgfältig um und entfernt sich schnell links.)

Adolf (am Tische, den Kopf traurig in die Hand stützend). O Emilie!

Damian (im Schlafe). Salerl!

(Man ruft im Tanzsaal nach einer kleinen Pause): Cotillion! Cotillion! (Alle Tanzenden stellen sich zum darauf folgenden Cotillion.)

Damian (aufwachend). Das Remisori ist mir einmal zu stark.

Goldfuchs (im Spiel). Solo!

Johann (zu Goldfuchs). Euer Gnaden haben halt überall das Glück.

Adolf. Es ist vollendet! (Eilt, das Briefchen zusammenzulegen.)

Damian (steigt aus dem Bett). Ich geh' jetzt die ganze Nacht auf und ab, denn das -


Szene 33

Fany. Emilie. Vorige. 

Vorige.

Fanny (Emilien zur Mitte links hereinführend). Nur näher, Fräulein, fürchten Sie sich nicht.

Adolf (in freudiger Überraschung). Was seh' ich? Emilie! (Eilt ihr entgegen und führt sie vor.)

Damian. Das is mir gerade noch abgegangen -

Adolf. Ist' möglich? Sie haben sich herbeigelassen?

Damian. Warum nicht gar? Herablassen an einem Strick? Das Fräulein wird wohl über die Stiege hinunter gegangen sein.

Emilie (über das Ballkleid in einen Schal gehüllt, erschrickt als sie Damian sieht). Wir sind nicht allein?

Fanny. Von dem haben wir nichts zu befürchten.

Damian. Schau, wie sie das weiß, daß ich nicht furchtbar bin!

Emilie (zu Adolf). Ich tue einen unbesonnenen Schritt.

Adolf. Sie werden ihn nie bereuen, Emilie, ich liebe Sie unaussprechlich.

Emilie. O Adolf, ich soll diese Hand einem anderen reichen! Ihnen gehört mein Herz, retten Sie mich!

Adolf. Nur ein Mittel gibt's, fliehen Sie mit mir!

Emilie (mit unruhiger Befangenheit). Die nächste Nacht. Jenseits der Grenze werden wir getraut und dann -

Adolf. Du mein Weib! Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt. (Schließt Emilie in seine Arme.)

Damian (mit einem koketten Seitenblick auf Fany). Man kriegt vielleicht lange Zähne, wenn man da zuschauen muß. 
(Es wird an der Haustüre geläutet.)

Emilie (erschrocken). Was ist das?

Damian. Es hat wer geläutet.

Bonbon. Wer kommt noch so spät?  (Johann geht links hinaus.)

Emilie (in ängstlicher Eile). Komm' geschwind, Fany! Morgen, morgen, Adolf! (Eilt mit Fany zur Mitte links ab.)

Adolf. Emilie!

Goldfuchs. Fehlt noch ein Gast?


Szene 34

Grau, Trumpf, zur Mitte hereineilend, Vorige ohne Emilie und Fany. 

Vorige.

Grau. Bald hätten sie uns nicht hereingelassen.

Trumpf. Zum Glück ist ein Estaffenreiter mit uns zugleich gekommen, der im ersten Stock etwas abzugeben hat.

Damian. Was wollts denn aber in der Nacht?

Grau. Alles aufrebellen im Haus, die Frau Sepherl hat einen Terno gemacht.

Damian. Jetzt hör' der Herr auf!

Grau. Sie hat mir die Nummern g'sagt und ich Esel habe sie nicht g'setzt.

Damian (schreit gegen rechts). Schwager! Sepherl! Heraus!

Grau. Ich hab' geglaubt, der Schlag trifft mich, wie mein Vetter jetzt ins Wirtshaus kommt, und sagt mir, was gezogen worden ist.

Damian (nimmt einen Stuhl und wirft ihn gegen die Tür rechts, daß sie aufspringt). Schwager! Sepherl! Heraus!

Johann (kommt links zurück). Eine Estafette aus Marseille. (Gibt selbe Goldfuchs.) 

Bonbon (neugierig vom Tisch aufspringend). Vom Bruder? Das betrifft die Spekulation zur See.


Szene 35

Sepherl. Schlucker. Vorige. 

Vorige.

Goldfuchs (aufstehend und den Brief erbrechend). Johann, gratuliere mir zum neuen Reichtum. (Liest.)

Schlucker und Sepherl (von rechts kommend). Was ists denn? Was gibts denn?

Grau (triumphierend). 4, 16, 51! Merkt d' Frau Sepherl nichts?

Damian und Trumpf (scherzend). Terno!

Sepherl (in freudiger Überraschung). Welches Glück! 
Schlucker
(zugleich, ebenso). Ich fall' in die Frais!

Grau. Achthundert Gulden!

Sepherl. Mann! 
Schlucker
(zugleich). Weib, das enorme Glück!

(Sie stürzen sich jubelnd in die Arme.)

Goldfuchs (indem ihm der Brief aus der Hand fällt). Entsetzliches Unglück! Das Schiff ist gescheitert! (Sinkt den zwei ihm zunächststehenden Bedienten in die Arme.)

Bonbon. O Unglück, o Malheur! (Sinkt ebenfalls ohnmächtig an der anderen Seite zwei Bedienten in die Arme.)

Schlucker und Sepherl (tanzen jubelnd herum, die Kinder kommen neugierig aus der Tür rechts.)

Schlucker, Grau, Trumpf (im Chor): Nein, das wird doch ein Treffer sein, Es bricht das Glück mit Gewalt herein!
(Alle springen in wilder Freude herum, umarmen und küssen sich.)

(Allgemeine Gruppe der Freude.)

(Allgemeine Gruppe des Schreckens.)

(Bevor der Chor endet, fällt der Vorhang.)


Dritter Akt

Szene 16

Damian. Grau. Trumpf.

Trumpf. Na, wir gratulieren!

Grau. Jetzt werdet Ihr schön stolz werden, das kann man sich denken.

Damian. Nein, Brüderln, stolz nicht, aber ungeheuer leidenschaftlich werd' ich, seitdem ich ein Geld g'spüre.

Grau. Was hat denn der Damian für Leidenschaften?

Damian. Zwei Stück, Liebe und Rache!

Grau. An wem will sich denn der Damian rächen?

Damian. An einem französischen Stutzer, der gestern meiner Salerl nachgegangen ist, Bonbon heißt er; der muß trischackt werden.

Grau. Die Sprach' wird er verstehen, und wenn er kein Wort Deutsch kann.

Damian. So ist's recht! Jetzt helfts mir aber ein wenig zusammenpacken. Übrigens was Ihr wegen dem Stolzwerden gesagt habt, da habt ihr nichts zu befürchten. Die Hand her! Ich bin ja auch einmal was Ordinäres gewesen. (Mit Herzlichkeit ihnen die Hände schüttelnd.) Glaubt mir, wir bleiben ewige Spezie. Ich werde mich im Glück stets so benehmen, daß mir jeder ansehen wird, daß ich ein gemeiner Kerl war. (Alle drei rechts ab.)



Szene 20

Vorige und Damian, Grau, Trumpf.

Bonbon (von Seite rechts kommend, hat Johanns Livree an und einen runden Tressenhut auf).
Dann Friedrich, Anton und zwei Bediente.

Bonbon. Johann wird unten schon in Ordnung sein, jetzt will ich daran. (Geht vorsichtig gegen die Tür links).

Damian (öffnet zufällig die Türe rechts). Ich muß nur - (bemerkt Johann und hält ihn für Bonbon.) O je!
(Winkt an der Tür, Grau und Trumpf kommen. Leise zu ihnen.) Das ist der Bonbon!
 

Grau und Trumpf. Gut! (Schleichen zu Johann hinein.)

Friedrich (stürzt mit Anton und den zwei Bedienten aus dem Saale rechts). Haben wir dich, du schlechter Kamerad?
(Fallen über Bonbon her, den sie für Johann halten und bläuen ihn, indem sie lärmend durcheinander schreien.)

Bediente. Wart, Johann, da hast du deinen Tee!
(Der Tumult zieht sich schnell durch den Tanzsaal zurück.)

Damian, Grau und Trumpf (stürzen auf Johann los.) Wart Du verdammter Bonbon!
(Sie prügeln ihn unter Lärm und Geschrei Mitte links hinaus.)

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